Dienstag, 28. Mai 2013

(Nicht-)Stromtanken an öffentlichen Ladestationen

Wie schon vor langer Zeit angekündigt, wollen wir heute was über Stromtankstellen sagen. In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder als ein Hindernis zur Verbreitung von E-Mobilen angeführt, dass es an einer Infrastruktur zum Stromtanken fehle. Eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema erfordert Klarheit über die relevanten Einflussfaktoren. Aufgrund der heutigen Batterietechnologie ist die  Reichweite der heute überwiegend verfügbaren E-Mobile auf 100 bis maximal 200 km beschränkt. Die Technologie des Ladevorgangs ist fahrzeugabhängig. Unser E-Smart verfügt in der Standardausführung nur über ein Ladekabel mit Standard-Schuko-Stecker. Dies hat den Vorteil, dass wir an jeder Steckdose laden können. Der Nachteil besteht darin, dass der Ladevorgang recht viel Zeit benötigt. Ein Aufladen von 20% auf 100% der 17,6 kWh braucht auf der Ladestufe 2 schon seine sieben bis acht Stunden. In drei bis vier Stunden können nicht mehr als 20% bis 30% aufgeladen werden. Andere Technologien mit Schnellladezeiten von ca. 30 Minuten werden zunehmend von Herstellern angeboten. Diese benötigen jedoch spezielle Einrichtungen, z.B. eine Wallbox, die mit zusätzlichem Aufwand verbunden sind.

Die technischen Aspekte sind jedoch nur die eine Seite. Die andere Seite betrifft die ökonomischen und organisatorischen Aspekte. In der Modellregion 'Elektromobilität Region Stuttgart', gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ist die 'Elektromobile Stadt (Flugfeld Böblingen/Sindelfingen)' ein Teilprojekt mit u.a. 20 Ladestationen. Auf unkomplizierte Weise haben wir eine E-Ladekarte erhalten, die zum kostenfreien Tanken berechtigt. Der erste Versuch am Marktplatz in Sindelfingen ist daran gescheitert, dass das Ladeplatz durch ein parkendes Auto mit Verbrennungmotor blockiert war. Die Ladesäule in der Stadtgrabenstraße in Böblingen war über Monate außer Betrieb und ist nun seit ein paar Tagen abgebaut. Aber auf dem Flugfeld konnten wir während des Arztbesuches schon zweimal erfolgreich laden.


Die Abwicklung war äußerst einfach. Allerdings war die durchaus lange Wartezeit beim Arzt nicht ausreichend, um ein signifikantes Aufladen zu erreichen.

Laut dem Stuttgart Blog der ENBW wird es 500 Ladepunkte in Stuttgart geben. Daher habe ich mich auch um eine 'Elektronauten Ladekarte' gekümmert. Der mir zugesandte Vertrag weist einen Grundpreis von 9,90 Euro je Monat aus. Dazu kommt dann noch das Entgelt für die getankten kWh. Dies mag sich für einen regelmäßigen Pendler durchaus rechnen. Für den gelegentlichen Stuttgart-Besuch ist es wohl eher nicht adäquat. Im Vertrag ist auch angedeutet, dass sich die ENBW um Roaming-Abkommen mit anderen Anbietern bemühen wird. Welche Konditionen sich dabei ergeben kann man nur aus den Anfängen der Roaming-Abkommen der Mobilfunkanbieter erahnen.

Dass die 9,90 Euro für die ENBW eher kein Gewinnbringer sein wird erklärt sich alleine daraus, dass die Kosten für eine derartige Ladesäule bei mehr als 10.000 Euro bewegt. Da ist es zumindest lohnend über Alternativen nachzudenken. Das sagte sich auch der ehemalige Bahnchef Heinz Dürr: "Der frühere Bahn-Chef Heinz Dürr ist für einen Millionenbetrag bei dem Berliner Startup-Unternehmen Ubitricity eingestiegen. ... Das Unternehmen entwickelt Ladekabel für Elektroautos, in denen ein Stromzähler schon eingebaut ist, heißt es in dem Bericht. Dadurch ließe sich jede herkömmliche Steckdose kostengünstig umrüsten und als Strom-Zapfsäule nutzen. 'Das Elektroauto hat Zukunft. Was derzeit fehlt, sind intelligente Systeme zum Laden der Batterien', wurde Dürr von der Wirtschaftswoche zitiert. ... 'Die Idee hat das Potenzial, das Infrastrukturproblem der Elektroautos zu lösen, vor allem weil das System wesentlich billiger ist als Ladesäulen', erklärte Dürr weiter."(Berliner Morgenpost, 17.5.2013)

Bei unsem persönlichen Nutzungsmodell für unseren E-Smart spielt die öffentliche Lade-Infratruktur nur eine sehr untergeordnete Rolle. Wir laden zu nahezu 100% in der heimischen Garage. Die obigen Ausführungen zeigen ja auch, dass in diesem Bereich noch alles in starker Bewegung ist. Standards in der Technik und in den Geschäftsmodellen der Stromanbieter sind noch in weiter Ferne. Dies macht das Fahren eines E-Mobils ja so spannend. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Entwicklung zu einer stetigen Verbesserung führt und auch wir davon profitieren werden.





Sonntag, 13. Januar 2013

Elektromobilität - "Innovation nach Vorschrift"

"E-Autos sind ein Muss" ist das Interview mit Norbert Reithofer, BMW Chef, in der Wirtschaftswoche vom 7.1.2013 überschrieben. Reithofer sieht bei 120 Gramm pro km eine technologische Grenze für die konventionellen Technologien. Damit BMW auf die geforderten 101 Gramm bis 2020 zu kommen, braucht BMW Elektroautos und eine entsprechende Anrechnung bei der Ermittlung des Flottenverbrauchs. Dabei sieht Reithofer einen Faktor 2,5 (heute 1,3) gegenüber Benziner oder Diesel in der EU für ein Minimum. BMW wird Ende 2013 mit dem i3 als einem elektrischen Kleinwagen in der Premiumklasse auf den Markt kommen. Hinsichtlich des Preises wird über einen Betrag von 40.000 Euro spekuliert.

In der Jahresendausgabe der Wirtschaftswoche vom 22.12.2012 frohlockt der VW-Chef Martin Winterkorn "2013 werde in Deutschland das Jahr der Elektromobilität". Für den September 2013 wird der E-Up mit einem erwarteten Preis von 23.000 Euro erwartet. In der Wirtschaftswoche vom 6.10.2012 wird Martin Winterkorn mit den Worten zitiert „Wir werden zeigen, wie man es richtig macht“. Bereits Anfang 2014 und damit ein Jahr früher als ursprünglich geplant soll der Golf Plug-in-Hybrid mit einem Aufpreis von "nur" 8.000 Euro auf den Markt kommen. 50 km rein elektrisch und 2 l/100 km über Land sind die angekündigten Leistungsdaten des Golf Twin-Drive, der das Wirklichkeit werden lässt, was Ferdinand Porsche schon Ende des 19. Jahrhunderts als Idee hatte - die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor. Der Prius-Plug-in von Toyota kann das schon, allerdings nur 25 km elektrisch und der Aufpreis beträgt knapp 10.000 Euro.
Die Robert Bosch GmbH als der größte Automobilzulieferer weltweit sieht einen Volumenmarkt für Elektromobilität nicht vor 2020. Nach Geschäftsführer Bernd Bohr strebt Bosch einen zweistelligen Marktanteil an und investiert dafür 400 Mio. Euro jährlich in die Elektromobilität mit den Komponenten Batterie, Batteriemanagement, Leistungselektronik und Elektromotoren. Derzeit bestehen für die Batterietechnik Überkapazitäten. Weltweit könnten 250.000 reine Elektroautos ausgestattet werden, allerdings kam 2012 nur etwa 22.000 Fahrzeuge auf den Markt.
Gemäß Geschäftsführer Bernd Bohr hat die Branche aktuell wenig euphorische Markteinschätzungen. Insbesondere die Äußerungen von Norbert Reithofer, lassen bei mir den Eindruck aufkommen, dass die Entwicklung hauptsächlich durch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Flottenverbräuche getrieben ist. Ob der Gesetzgeber ein geeigneter Treiber für Innovationen ist, mag der Leser selbst beurteilen. Persönlich glaube ich jedoch, dass Erfinder und Innovatoren wie Carl Benz,  Gottlieb Daimler oder Robert Bosch in ihren Drang etwas Neues zu schaffen durch etwas anderes angetrieben waren.

Wie viele Vergleiche, hinkt sicherlich auch der folgende. Wenn man den Übergang von der Dampflokomotive zur E-Lok umschreiben will, fallen einem folgende Aussagen ein (vgl. Vortrag Dr. M. Klaussner, Vice President Engineering, Business Unit Electric and Hybrid Vehicles, Robert Bosch GmbH, Oktober 2012):


Pro Dampf
  • Firmen wie Borsig, Krupp, Henschel, Krauss-Maffei
  • Neue Infrastruktur viel teurer als Transport mit Dampf-Lokomotive
Pro E-Lokomotive
  • Firmen wie Siemens, AEG, BBC
  • E-Lokomotiven sind wirtschaftlicher und leistungsfähiger, wenn die Elektrifizierung der Strecken vorgenommen ist.
Vor diesem Hintergrund haben "verzweifelte" Versuche stattgefunden, die Dampflokomotive zu erhalten:
  • 1957 entwickelt Krupp die BR10 neu mit dem Ziel die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu steigern.
  • 1953-57 Effizienzverbesserung der S3/6  durch Krauss-Maffei
1975 Außerdienststellung der letzten Dampflok in West-Deutschland.

Betrachtet man die Optionen der Automobilindustrie im Umgang mit der Elektromobilität so lassen sich zwei grundsätzliche Verhaltensweisen unterscheiden:

Reaktiv:
  • Veränderung ist Bedrohung
  • Verteidigung gegenüber Veränderungen
  • Nutze aktuelle Stärke, um Veränderungen zu verzögern/verschieben
 Initiativ:
  • Veränderung wird als Chance gesehen
  • Aktiv Veränderung betreiben
  • Nutze aktuelle Stärke, um Veränderung zu gestalten.
 Der Blick zurück in die Industriegeschichte hilft dabei, sich für die wohl bessere Option zu entscheiden!