Zu meinen Überlegungen wurde ich durch den Artikel „Der Traum vom Fahren“ in: das magazin, Ausgabe 3/2016, herausgegeben von der EnBW, angeregt (siehe:
https://www.enbw.com/media/downloadcenter-konzern/kundenmagazin/enbw-magazin-2016-03.pdf ).
Der
Artikel beginnt mit dem Satz: „Am Fahrspaß kann es nicht liegen, dass sich die
Deutschen bisher nicht um Elektroautos reißen – die aktuellen Modelle sind
spritzig.“ Diese Aussage mag richtig sein, unterstellt jedoch, dass für
Elektrofahrer der Fahrspaß ein wichtiges Kaufkriterium sei. Die Untersuchung „Erstnutzer
von Elektrofahrzeugen in Deutschland Nutzerprofile, Anschaffung, Fahrzeugnutzung“
von Ina Frenzel u.a. des DLR Institut für Verkehrsforschung vom Mai 2015 zeigt,
dass mit 88% bzw. 87% das Interesse an der innovativen Fahrzeugtechnologie bzw.
der Reduzierung der Umweltbelastung die Hauptmotivationsgründe für die
Anschaffung waren. Der Fahrspaß folgt erst mit 77%, wobei wir als
Elektromobilisten mit mehr als vier Jahren Erfahrung zwar auch Spaß mit unseren
Elektroautos haben, dieser sich allerdings überhaupt nicht auf die Spritzigkeit
bezieht. Die Untersuchung des DLR sagt auch „Anreize, wie etwa die Befreiung
von der Kfz-Steuer oder kostenloses Parken und Laden, spielten bei der
Kaufentscheidung lediglich eine untergeordnete Rolle“. Dies lässt die
berechtigte Frage aufkommen, ob die folgende Aussage im EnBW Artikel mit
Verweis auf Norwegen hilfreich ist: „Wirtschaftsexperten halten das neue Förderprogramm
vom Grundsatz her richtig, jedoch nicht für ausreichend. Ihrer Meinung nach
fehlen Anreize, die langfristig wirken. In Norwegen zum Beispiel profitieren
E-Mobilisten dauerhaft von einer Steuerentlastung und vielen Privilegien: Sie
parken in Städten kostenlos und dürfen die Busspur benutzen. Dort sind heute
bereits 60 Prozent aller Neuzulassungen reine Stromer oder Hybridautos.“
Über
die Wirksamkeit des Förderprogramms der Bundesregierung kann bisher sicherlich noch
kein abschließendes Urteil abgegeben werden. Gemäß dem Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden in den ersten zwei Monaten bis zum 30.
September 2016 2.650 Anträge für reine Elektrofahrzeuge (BHEV) und gut 1.801
Anträge für Plug-in-Fahrzeuge (PHEV) gestellt. Es ist zu hoffen, dass sich in
den kommenden Monaten mehr Käufer motivieren lassen, sonst würden die vom Bund
bereitgestellten 600 Mio. Euro für knapp 20 Jahre reichen.
Per Jahresbeginn sind ca. 25.000 reine Elektroautos zugelassen (vgl. Kraftfahrt Bundesamt,
http://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/Umwelt/umwelt_node.html). Davon waren jedoch nur 39 % auf private Halter zugelassen, 15 % auf den Kfz-Handel bzw. die Kfz-Hersteller. Knapp 10.000 entfallen auf die Marken Renault (überwiegend Zoe) und Smart (Smart ForTwo). Als nächste folgen VW mit ca. 3.500 und BMW mit knapp 2.500.
Die
DLR Studie (Untersuchungszeitraum Anfang 2014) weist aus, dass die privaten
Nutzer überwiegend zu Hause ihre Fahrzeugbatterie aufladen. Ähnlich sieht das
bei gewerblichen Nutzern aus. Diese Pioniere nutzen ihr Elektroauto auch meist
zum Pendeln zur Arbeit und haben für Mobilitätsbedürfnisse mit größerer
Entfernung noch ein Fahrzeug mit Verbrennermotor. Anders sieht es natürlich bei
PHEV-Nutzern aus.
Der
EnBW Artikel geht auch auf die Planungen der Bundesregierung ein, 300 Mio. Euro
für den Ausbau der Ladeinfrastruktur (2/3 für Schnellladeeinrichtungen und 1/3
für Normalladeeinrichtungen) zu investieren. Als PHEV-Nutzer (max. 50 km
elektrische Reichweite) würden wir uns wünschen, dass sich die Planung an der
Technologie orientiert und mindestens so komfortabel ist, wie dies Aldi und
Ikea vormachen. Als überzeugte Nutzer dieser Übergangstechnologie versuchen wir
natürlich so viel wie möglich elektrisch zu fahren und schätzen damit die
Schnelllademöglichkeit an der Autobahnraststätte oder beim Einkauf, so dass der
Anteil emissionsfreien Fahrens möglichst hoch ist. Per heute ist dies bei einer
Fahrt von Böblingen ins Allgäu nur an der Raststätte Gruibingen möglich. Dies
sieht in Österreich oder in den Niederlanden deutlich besser aus. Trotzdem
haben wir es geschafft im Jahr 2015 bei 18.750 km Fahrleistung nur 4,4 l/100 km
an E10 zu verbrauchen.
Mit
unserem Smart fahren wir durchschnittlich 12.000 km im Jahr und haben manchmal
den Bedarf auch außer Haus aufzuladen. Der nun bald vier Jahre alte Smart hat
keine Schnelllade-Möglichkeit und begnügt sich mit einer Schuko-Steckdose. Der
EnBW-Artikel stellt heraus, dass die EnBW zu den großen Ladestationsbetreibern
in Deutschland gehört. Dies ist sicherlich richtig. Laut der EnBW Ladestations-App
sind es wohl mehr als 500, allerdings entfällt ca. die Hälfte auf den Raum
Stuttgart. In diesem Raum wurden die meisten Ladestationen im Rahmen des
Projekts "Aufbau Ladeinfrastruktur Stuttgart und Region" mit
Förderung des Landes Baden-Württemberg bereitgestellt. Einer der Hauptnutzer
der Ladestationen ist der Car-Sharing-Anbieter Car2go, der in der Region
Stuttgart mit rund 500 E-Fahrzeugen des Typs "smart fortwo electric
drive" tätig ist. Die Ladeinfrastruktur steht aber auch allen anderen
Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung. Betrachtet man die Angebote der EnBW für
das Laden, so ergibt sich aus Kundensicht ein recht differenziertes Bild. Für
den gelegentlich Ladenden bietet die EnBW die Elektronauten Prepaid-Ladekarte
an. Beim e-Smart dauert eine Vollladung ca. 8 Stunden, was bei 1,50 Euro/Stunde
12 Euro ausmacht und ca. für 120 km reicht. Dies entspricht dann einem
Äquivalent ca. 8 l Diesel pro 100 km. Allerdings muss man nach acht Stunden
dann auch wegfahren, denn jede weitere Stunde am Stecker kostet auch ohne Laden
jeweils 1,50 Euro. Ein Aufladen des PHEV macht aus Kostengesichtspunkten wenig
Sinn, da keine Gleichstrom Schnelllademöglichkeit über den Chademo
Steckerstandard angeboten wird.
Dass sich bei der Ladeinfrastruktur noch Vieles
im Pionierstadium befindet, konnten wir auch bei der innovativen
Straßenbeleuchtung SM!GHT der EnBW bei der Landesgartenschau in Öhringen
feststellen. Um Strom zu bekommen, mussten wir von der wirklich ästhetisch
ansprechenden Ladesäule ca. 15 Minuten ins Rathaus spazieren, um die notwendige
Ladekarte für 5 Euro zu bekommen. Vor diesem Hintergrund kann man als
E-Mobilist durchaus neidvoll auf die Tesla-Fahrer schauen. Tesla bietet eine
wirklich kundenorientierte Lösung mit den Supercharger-Stationen für das Unterwegs-Aufladen.
Die
Beispiele und unsere eigenen Erfahrungen zeigen, dass nicht nur
weiterentwickelte Technologie notwendig ist, sondern auch ein radikales
Umdenken auf Anbieter- und Kundenseite notwendig ist. Die Pressemeldungen der
deutschen Automobilhersteller mit der Ankündigung neuer E-Modelle überschlagen
sich. Dies gilt für VW ebenso wie für Daimler. Dabei scheint das Jahr 2025 eine
magische Zahl zu sein. Es werden größere Reichweiten und schnellere Ladezeiten
angekündigt. Einerseits ist dies absolut positiv zu sehen, andererseits wirkt
es jedoch sicherlich nicht verkaufswirksam für die nächsten (nahezu zehn)
Jahre. Berechtigterweise wird der potenzielle Käufer sagen, „da warte ich
erstmal ab“. „Die technische Entwicklung geht ja offenbar so rasant weiter, da ist
mein E-Auto, das ich heute kaufe, in kürzester Zeit nichts mehr wert“. Dies
ist sicherlich eine nicht ganz falsche Überlegung und persönlich kann ich das
durchaus bestätigen. Unser vier Jahre alter E-Smart, der in einwandfreiem
Zustand ist, ist so gut wie nicht verkäuflich. Daimler kündigte unlängst das
Nachfolgemodell des E-Smart an, der ca. 10.000 Euro teurer sein soll, als sein
Verbrennerbruder und nur eine Reichweite von 160 km statt bisher knapp 140
haben soll. Da ist der technische Fortschritt nicht gleich offensichtlich.
Im
EnBW Artikel wird wieder einmal an das rationale Verhalten von Autokäufern
appelliert. „Im Durchschnitt nutzt ein deutscher Autofahrer sein Gefährt
nämlich nur rund eine halbe Stunde pro Tag“. Das mag ja durchaus stimmen.
Genauso wie Statistiken, dass der durchschnittliche Fahrzeugnutzer weit weniger
als 100 km durchschnittlich im Tag mit seinem Auto zurücklegt. Diese
Durchschnittsbetrachtungen sind, selbst wenn sie im Einzelfall sogar zutreffen,
weitgehend irrelevant für eine Kaufentscheidung. Was mach ich denn, wenn mir am
Sonntagmorgen einfällt, die Tante im 100 km entfernten Städtchen zu besuchen. Solche
Überlegungen, ob tatsächlich relevant oder nicht, halten viele vom Kauf eines
E-Autos ab.
Die
Aussagen, dass die Reichweiten zeitnah auch 400 oder 500 km sein werden,
stimmen einen durchaus optimistisch. Einzelne Anbieter, wie Opel mit seinem
Ampera-e und einer NEFZ-Reichweite von 500 km im Frühjahr 2017, sind da
durchaus Vorreiter. Trotzdem ist meine persönliche Vermutung, dass die
technische Entwicklung im Bereich der E-Mobilität ein wesentlich höheres Tempo
haben wird, als dies in der mehr als 125-jährigen Geschichte des Automobils bisher
der Fall war. Insbesondere der Batterietechnologie, mit ihrem recht hohen
Wertschöpfungsanteil (30-40%), wird eine rasante technologische Entwicklung
prognostiziert. Das erinnert mich ein wenig an die Technologieentwicklung in
der Computerbranche der letzten 50 Jahre. Mit der Elektromobilität sind wir
hinsichtlich des Entwicklungsstandes eher in den 1970erJahren als in der heutigen
Zeit der Tablets, Smartphones usw. Das damals führende IT-Unternehmen IBM hatte bei seiner Produktentwicklung immer das Ziel des Investitionsschutzes des
Kunden im Auge. Das bedeutete, dass die Kunden ja genau wussten, dass ihre heute
gekaufte Technologie morgen schon überholt sein wird. Trotzdem wurde diese
Technologie gemietet oder gekauft, weil der Kunde sicher sein konnte, dass er
beim nächsten Technologiesprung nicht unbedingt gezwungen war, seine
Investition vollständig zu ersetzen, sondern die Möglichkeit hatte,
aufzurüsten, so dass große Teile der Computeranlage weiterhin genutzt werden
konnte.
Versucht
man dies auf die E-Mobilität zu übertragen, dann müssten Geschäftsmodelle
entwickelt und praktiziert werden, die dem Kunden ein hohes Maß an Risiko
abnimmt. Der Kunde kann sein Auto, das ja bezogen auf seinen allgemeinen
Zustand problemlos 10 bis 15 Jahre genutzt werden kann, mit einer
erschwinglichen Aufrüstung, z.B. der Batterie und der Steuerungstechnik
weiterhin fahren bzw. verkaufen. Ein weitgehender Totalverlust, wie er heute mehr oder weniger
Realität ist, wäre vermieden. Eine Barriere für den Kauf eines E-Autos heute wäre abgebaut.
Ich
hoffe, dass meine Überlegungen auch bei den deutschen Automobilherstellern eine
angemessene Rolle spielen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Energieversorgern
wäre hier ja durchaus denkbar. Die alten Batterien, die für das Auto nicht mehr
attraktiv, aber technisch durchaus noch nutzbar sind, könnten zu Stromspeichern
in privaten und gewerblichen Haushalten eingesetzt werden, so dass neben der
Verkehrswende auch die Energiewende unterstützt werden könnte. Um die
Kaufzurückhaltung bei E-Autos abzubauen, könnte es eine überlegenswerte
Strategie sein, einen Investitionsschutz ins Leistungsangebot schon heute einzubauen.
Eine
weitere große Barriere für den Kauf eines E-Autos ist die Möglichkeit, zu Hause
zu laden. In der Regel ist das für den Einfamilienhausbesitzer mit Garage kein
Problem. Laut Statistischem Bundesamt waren dies 2013 ca. 30% der
Privathaushalte. Damit wohnt ein Großteil der Bevölkerung in
Mehrfamilienhäusern mit oder ohne Garage. Für diese Zielgruppe bestehen heute
fast unüberwindbare Hürden. Selbst eine EnBW Ladesäule vor dem Haus ist bei
heutigem Geschäftsmodell der EnBW keine Lösung. Ich müsste ja den Wecker
stellen und mitten in der Nacht aufstehen, damit ich nach 2 oder 7 Stunden das Auto ausstecken und wegfahren könnte,
um nicht mit den Nicht-Ladestunden belastet zu werden bzw. die Ladesäule nicht
für den Spätheimkehrer zu blockieren. Hier ergibt sich noch viel Raum für
Kreativität. Darüber hinaus besteht auch die Notwendigkeit an gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche ein Mindestmaß an Planungssicherheit für Städte, Gemeinden, Bauträger usw. liefern, so dass die passende Infrastruktur geschaffen werden kann und das Risiko in
Grenzen gehalten wird.